VOLKER BUSSMANN
MAKING-OF
SPRITZFROTTAGE
HANS GERKE
Spritzfrottage - Technik mit Patent
„Man nehme einen Kasten, mache ihn luftdicht, fülle ihn mit Sand, darin bette man ein Modell, welches weder zu dick, noch zu mager sein soll, gut zur Hälfte ein und unterlege alles mit Tuch und Watte. Anschliessend streiche man das Ganze glatt und achte darauf, dass kein Sand auf der Haut verbleibt, bedecke auch das Tuch mit Sand, verstopfe die Nase mit Oropax, gebe einen Schnorchel in den Mund, und pinsele fein und säuberlich die Konturen. Darauf folgend bedecke man alles fest mit Folie, sauge mittels eines umgekehrten Gebläses die noch verbliebene Luft reichlich ab, wobei man sich über das Wohlbefinden des Bereiteten vergewissern muss.
Zuvor angerichtete Farbe wird unter Druck mit Luft zerstäubt und in geeigneter Weise über das Modell gegeben. Ist das Ganze gut getrocknet, hebe man mit Bedacht die Folie ab, trenne dabei Modell, Sand und Folie, indem man Luft hineinlässt, säubere alles von noch haftendem Sand und lege die fertige Folie auf den Kasten zurück, damit sie sich ausliege und glätte. Man betrachte es. Ist es wohl geraten, verbinde man es durch Leim mit Leinwand, glättet erneut, presse beides fest zusammen, rahme und hänge es.“
Quelle: Vortrag – Selbstdarstellung der Realität
HANS GERKE
Bezieht sich auf die Frottagen von Max Ernst
In der Tat wird hier die Durchreibetechnik, die Max Ernst in die Kunst einführte, auf individuelle und originelle Weise weitergeführt. Manche von Bussmanns Arbeiten – solche etwa, bei denen er Zweige und Blätter benutzt, erinnern denn auch unmittelbar an Werke des surrealistischen Altmeisters.
Wir haben es also mit einer Art von Fotografie mit anderen Mitteln zu tun, einer, die gegenüber der „echten“ Fotografie den Nachteil einer ungleich größeren Kompliziertheit, dafür aber den Vorteil einer kaum zu übertreffenden Plastizität aufweist. Die Unmittelbarkeit und Anschaulichkeit, mit der hier Erscheinungsweisen des dreidimensionalen Raumes auf der zweidimensionalen Fläche sichtbar gemacht werden können, übertrifft alle anderen bisher gebräuchlichen Verfahren, vielleicht abgesehen von der neuen Technik der Holographie.
Nun ist ein neues technisches Verfahren noch nicht unbedingt eine neue künstlerische Möglichkeit. Auch hier kommt es allein darauf an, wie der Künstler sein Medium einsetzt. Überblickt man diese Ausstellung mit ihrer beträchtlichen Spannweite und den abrupt erscheinenden Sprüngen zwischen an Victor Vasarely erinnerndem Konstruktivismus und extrem dem entgegengesetztenneuen, vielleicht modischen Naturalismus, so könnte der Verdacht aufkommen, man habe es hier mit einem Künstler zu tun, der primär zwar ein exzellenter Techniker, ansonsten aber ein sich eher an Kunstmoden anlehnender Epigone ohne eigenen Stil sei.
Gegen diesen Vorwurf möchte ich Bussmann nachdrücklich mit dem Hinweis darauf in Schutz nehmen, dass zwischen all diesen Arbeiten, trotz unverkennbarer Anknüpfung an Vorbilder, eine logische und konsequente Beziehung besteht: Die Konsequenz und Logik von Bussmanns Werk liegt gerade in der Unbekümmertheit, mit der er konstruktiv Abstraktes und hypernaturalistische Trompe-l’oeuil-Effekte einander folgen lässt.
Quelle: Vortrag – Selbstdarstellung der Realität
HANS GERKE
Thema ist weder die eigengesetzliche Ästhetik ...
Thema ist weder die eigengesetzliche Ästhetik geometrischer Ordnungen noch irgendein abbildend zu verdeutlichender Inhalt. Bussmanns Thema ist vielmehr der Vorgang des Abbildens, des Sichtbarmachens oder, von der anderen Seite her betrachtet, der Vorgang des Wahrnehmens, des Sichtbarwerders und Sehens.
Er steht damit nicht allein, sondern in der umfangreichen Gesellschaft zahlreicher Künstler, die gegenwärtig dieses uns selbstverständlich erscheinende Thema, ihr Thema, das Metier ihrer Arbeit, aber durchaus auch unser Thema, die Welt unserer Wahrnehmung, die Mechanismen und Gesetze unserer visuellen Kontaktaufnahme mit der Wirklichkeit thematisieren. Der Trompe-l’oeil-Effekt, die optische Illusion, ist nicht Mittel zu irgend einem wie auch immer gearteten Zweck, sondern Thema.
Volker Bussmann konfrontiert uns sozusagen in exemplarischem Modellversuch mit dem Ereignis des Sichtbarwerdens. Wir erleben mit, jetzt ganz umfassend gemeint, wie das ist, wenn wir uns ein Bild machen, wenn Realität zur Bildrealität wird, wenn – in den konstruktivistischen Bildern – sozusagen SYNTHETISCH aus zweidimensionalen Daten eine dreidimensionale Illusion entsteht oder wenn konkrete Dreidimensionalität in der Fläche optisch erfahrbar wird. .
Wir werden so auch auf die Relativität unseres Sehens verwiesen: In Bussmanns konstruktiven Bildern etwa gibt es Umsprungeffekte, die in der realen dreidimensionalen Welt eben nicht möglich sind.
Was wir sehen, so erfahren wir, ist keineswegs identisch mit dem, was tatsächlich existiert. Schon das Sehen, wie jede künstlerische „Umsetzung“, ist Transformation, schafft neue Realität. Es gibt nicht „die“ Wirklichkeiten, sondern Wirklichkeit entsteht ständig: Im Machen, im Denken, im Sehen.
Quelle: Vortrag – Selbstdarstellung der Realität